Die Gegenwart der Anthroposophie

Die Gegenwart der Anthroposophie

18 Oktober 2023 Andrea de la Cruz 210 mal gesehen

Es ist Oktober 2014, ich bin 25 Jahre alt, lebe und arbeite in London (GB) und suche an diesem Abend in einem Antiquariat in Camden Town als Geschenk für einen Freund nach einem Buch. Der Laden ist gemütlich, riecht nach altem Papier und ist von warmem, gelbem Licht erfüllt. In einer Ecke erregt ein Bücherregal meine Aufmerksamkeit. Es ist voll mit staubigen alten Büchern … von Rudolf Steiner. «Sieh mal!», sage ich zu meinem Begleiter. «Das ist der Mann, der meine Schule gegründet hat!» Das sollte ich mitnehmen ...

Ein Buch als Wendepunkt im Leben


Das Büchlein, um das es geht, ist eine recht hübsche, kleine, leicht ab­gegriffene und wirklich wunderschöne Ausgabe der Anthroposophischen Leitsätze, die 1927 in London von der London Anthroposophical Publishing Co. gedruckt wurde. Es hat mich fünf Pfund gekostet. Es ist komisch, wenn ich daran denke, dass, obwohl ich dieses Exemplare nie gelesen habe, bis heute nicht, denn ich habe mit anderen Ausgaben der Leitsätze gearbeitet, dieses kleine Buch den Wendepunkt im Leben meines 25-jährigen Ichs darstellt.Der Kauf ließ mich nach Kursen über Waldorf­pädagogik suchen. Ich arbeitete mit Jugendlichen in Großbritannien und war auf der Suche nach anderen Ansätzen für die Jugendarbeit, was wiederum zu einer Empfehlung führte, dass ich als Grundlage zunächst Anthroposophie studieren solle.Als Ergebnis dieser Ereignisse kam ich im Oktober 2015 in Dornach (CH) an, um mein Studium der ‹Theosophie› von Rudolf Steiner unter der Leitung von Virginia Sease zu beginnen, die mich lehrte, Steiner zu ‹lesen›. Wenn ich gewusst hätte, wohin mich das führen würde, hätte ich sicherlich auch mehr dafür bezahlt!

Ruf nach Vertiefung


Wie viele ähnliche Geschichten mag es geben? Wie viele von uns haben solch ein Buch von einem Freund, Mentor oder sogar einem Fremden geschenkt bekommen, das uns zum Werk Rudolf Steiners führte? Wie viele Kinder wuchsen umgeben von diesen Büchern auf, ohne sich ihrer bewusst zu sein, bis eines Tages als älterer Teenager oder als jüngerer Erwachsener ein Stöbern in der väterlichen Bibliothek dazu führte, dass man Rudolf Steiners ‹Geheimwissenschaft› oder ein anderes Buch aufschlug und von der darin enthaltenen Fülle fasziniert war? Und wie viele von uns hörten dann den Ruf, einen Ort zu finden, an dem diese Werke ernsthaft studiert werden konnten, an dem man sich mit ihren Ideen auseinandersetzen konnte, zusammen mit anderen ähnlich begeisterten Studierenden, die sich auch mit diesen Gedanken auseinandersetzten und sie verstehen wollten?

Netzwerk aufbauen


Publikationen und Ausbildungsstätten machen die Anthroposophie in der Welt präsent. 100 Jahre nach der Gründung der Freien Hochschule für Geistes­wissenschaft finden wir anthroposophische Ausbildungsstätten und Verlage in der ganzen Welt, arbeiten in zahlreichen Sprachen und schwimmen oft gegen den Strom, um die Anthroposophie in ihrem lokalen Umfeld bekannt zu machen.Die Allgemeine Anthroposophische Sektion sieht diese Aufgaben, Herausforderungen und Fragen als entscheidend für die Zukunft der Bewegung an. Deshalb haben wir bei der Weltkonferenz ein Themenforum für Verleger/in­­-nen und in anthroposophischen Ausbildungen leitend tätige Pädagog/in­-n/en angeboten.Angeregt von Vorträgen von Fachleuten aus verschiedenen Regionen haben wir drei Tage lang über ihre Arbeit diskutiert. Als Ergebnis haben wir uns vorgenommen, in den nächsten Jahren ein Netzwerk von Verleger/in-ne/n, Bibliothekar/in­-n/en und Verantwort­lichen für Weiterbildungsinitiativen zu etablieren und gemeinsam eine Plattform zu entwickeln, die einen Überblick darüber gibt, wie das schriftliche Werk Rudolf Steiners in der heutigen Arbeit lebt. Dieses ‹Verzeichnis› beziehungsweise diese Plattform soll als zentrale Anlaufstelle allen Studierenden, Wissenschaft­-ler/innen und Interessierten Rat geben, wenn sie sich mit Rudolf Steiners Werk auseinandersetzen wollen. Wir rufen alle, die als Verleger/innen, Herausgeber/innen oder Übersetzer/innen tätig sind, auf, sich zu melden und sich mit diesem Impuls zu verbinden.


Titelbild: Goetheanum-Weltkonferenz 2023, Peter Selg. Foto: Xue Li.